Der fehlerfreie Wörterstürmer

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Im Feuilleton der NZZ vom 16. Oktober 2025 findet sich eine bemerkenswerte Gegendarstellung.

Unter diesem Titel wird folgendes festgehalten: «Richtig ist, dass Prof. Dr. Bernhard C. Schär nie wissenschaftliche Fehler nachgewiesen wurden.» Unterzeichnet war die Gegendarstellung von Prof. Dr. Bernhard C. Schär. Sie war die Antwort auf einen kritischen NZZ-Artikel.

Der Zusammenhang

Interessant ist, dass der Schweizer Historiker von sich selbst in der dritten Person schreibt. Historisch war diese Form der majestätischen Selbstbezeichnung von Königen und Päpsten durchaus geläufig. Kaiser Franz Joseph I. von Österreich pflegte die Formulierung «seine kaiserliche Majestät geruht zu verlautbaren ...».

Prof. Dr. Bernhard C. Schär war bis 2021 Oberassistent am Lehrstuhl für die Geschichte der modernen Welt an der ETH Zürich. Seit 2022 hat er eine auf fünf Jahre befristete, vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierte Assistenzprofessur an der Universität Lausanne.

Wissenschaftliche Fehler

Auch interessant ist seine Aussage über wissenschaftliche Fehler, die er nicht begangen hat. In den Naturwissenschaften (englisch «Science») ist es einfach, wissenschaftliche Fehler aufzuzeigen. Seit Karl Popper gilt das Falsifikationsprinzip: Eine wissenschaftliche Aussage gilt als gültig, solange sie nicht durch Experimente oder Beobachtungen widerlegt wird.

In den Geisteswissenschaften (englisch «Arts»), zu denen auch die Geschichtswissenschaft gehört, ist das nicht so einfach. Aber Historiker können und sollten im Sinne des Prozesses von Kritik und Prüfung den Geist der Falsifikation pflegen, insbesondere bei der Auswahl und Begründung der Quellen, der Offenheit der Interpretation, der methodischen Reflexion und im interdisziplinären Diskurs. Das ist nicht die Geisteswelt von Prof. Dr. Bernhard C. Schär.

Rechtsweg statt Streitgespräch

Prof. Dr. Bernhard C. Schär hat für die Stadt Zürich ein wissenschaftliches Gutachten zum Thema der historischen Inschriften «Zum Mohrenkopf» und «Zum Mohrentanz» an Zürcher Altstadthäusern verfasst. Sein Bericht hielt fest, dass die Inschriften «rassistische Symbole» seien. Er bezeichnet diese Inschriften als für manchen Menschen hochgefährlich.

Er lehnte es ab, mit der NZZ über seinen Forschungsansatz und über das Thema politischer Aktivismus und Wissenschaft zu sprechen. Auf ein Gegengutachten des Historikers Martin Illi, der als profunder Kenner des spätmittelalterlichen Zürichs gilt, gingen Prof. Dr. Bernhard C. Schär und seine Koautorin Ashkira Darman nicht ein.

Gegen kritische Artikel von René Zeyer in seinem Medienblog Zackbum.ch und in der Weltwoche ging Prof. Dr. Bernhard C. Schär juristisch vor. Er forderte die Löschung mehrerer Artikel und erwirkte zudem, dass sein medienrechtlicher Vorstoss geheim bleiben müsse. Ein solcher gerichtlicher Maulkorb ist wissenschaftlich unterste Schublade, auch in den Geisteswissenschaften.

Kein Bilderstürmer

Bilderstürmer waren in verschiedenen historischen Epochen Akteure, die aus religiösen oder politischen Gründen Bilder und Skulpturen zerstörten. Eine moderne Form des Bildersturms praktizierten die Taliban, als sie im März 2001 zwei monumentale Buddha-Statuen aus dem 6. Jahrhundert zerstörten.  

Der Stadtrat von Zürich und sein wissenschaftlicher Experte Prof. Dr. Bernhard C. Schär sind keine Bilderstürmer. Es geht ja nicht um Mohrenbilder, sondern um Inschriften. Und diese werden nicht zerstört, sondern nur verdeckt, da sie als für manchen Menschen hochgefährlich gelten.

Der Wörterstürmer

Es sind aber nicht nur die Inschriften an alten Gebäuden gefährlich, sondern für Prof. Dr. Bernhard C. Schär schon die Wörter «Mohr» und «Mohren». In seinem Mohrengutachten kommt seine ideologische Herangehensweise auch im Schriftbild zum Ausdruck.

Gemäss dem von Prof. Dr. Bernhard C. Schär kritisierten NZZ-Artikel hat er in seinem Gutachten das Wort «Mohr» nicht ausgeschrieben, sondern die zwei Inschriften mit «Zum M*****kopf» und zum «M*****tanz» wiedergegeben.

Diese Schriftform entspricht nicht der offiziellen Duden-Rechtschreibung, wäre also in einer wissenschaftlichen Arbeit falsch. In einer ideologisch sensibilisierten Kommunikation dürfte sie heute aber durchgehen. Zudem stellt sich die Frage, wie sich Prof. Dr. Bernhard C. Schär wohl mündlich ausdrückt, wenn er über seine Forschung und Erkenntnisse spricht. Da er dies gegenüber der NZZ nicht getan hat, wissen wir es leider nicht.

Vorschlag zur sprachlichen Güte

Dass Prof. Dr. Bernhard C. Schär von der Stadt Zürich nicht aus wissenschaftlichen, sondern aus ideologischen Gründen mit dem wissenschaftlichen Gutachten betraut wurde, ist offensichtlich. Die Balance zwischen wissenschaftlicher Forschung und politischem Aktivismus ist in jeder Beziehung misslungen.

Wer nicht einmal das Wort korrekt ausschreiben kann, zu dem er ein wissenschaftliches Gutachten erstellt, ist kein Wissenschafter, auch nicht ein Geisteswissenschaftler. Mit etwas wissenschaftlicher Neugier hätte Prof. Dr. Bernhard C. Schär sicher auch ein Ersatzwort für «Mohr» gefunden.

Mein Vorschlag: «Afrodescendant» statt «Mohr». Das darf man auch aussprechen. Der Ausdruck ist zwar nicht alltäglich, aber in offiziellen, internationalen und akademischen Kontexten präsent. Der Begriff dient der inklusiven Benennung von Menschen afrikanischer Herkunft, ohne koloniale oder rassistische Konnotationen.

Die beiden verhüllten Inschriften hiessen dann im wissenschaftlichen Gutachten politisch korrekt «Afrodescendantkopf» und «Afrodescendant-Tanz».

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